Am Samstagmorgen entschloss ich mich, gestärkt durch ein enorm reichhaltiges Frühstück im Hotel Ibis Styles Avignon Sud, den Zug nach Marseille zu nehmen, um mit starkem Rückenwind die 130 Kilometer zurück nach Avignon zu fahren.

Die Fahrt durch Marseilles Norden fühlte sich an wie ein Rückblick in einige Armenquartiere an den Aussenbezirken grosser marokkanischer Städte. Im Unterschied zu Marokko ist der Norden von Marseille jedoch nicht durch traditionelle Architektur, sondern durch heruntergekommene, lieblose Hochhäuser und durch massive Abfallvorkommnisse auf den Strassen geprägt. Bei meiner Fahrt kam ich noch durch einen Markt (darf man noch von „Schwarzmarkt“ sprechen?), bei dem mir gewisse Personen besonders suspekt vorkamen. So fuhr ich etwa eine Minute lang hinter zwei in Anzügen gekleideten afrikanischen Männern mit „speziellen“ Bartwüchsen her, die langsam die Strassen hoch- und herunterliefen und dabei den Verkehr hinter sich blockierten.

Nach einem steilen Aufstieg durch das berüchtigte 15. Arrondissement von Marseille waren es jedoch nicht die Menschen, die Mühe bereiteten, im Gegenteil, ich genoss sogar das Gefühl, irgendwo zwischen Kaboul und Marrakesh zu sein, die vielen Gerüche, Läden, Kulturen und Eindrücke. Bedrückender war der starke Südostwind, welcher mich nach einigem Überlegen dazu verleitete, die Route nach Aix-en-Provence abzubrechen und stattdessen über die westlich von Marseille gelegene Felsenlandschaft (Calanque d’Erevine) zu fahren, was sich landschaftlich sehr lohnte.

Was jedoch nach dem ersten, schönen Aufstieg folgte, war eine Art Mini-Zusammenfassung meiner gesamten Reise: Die Strecke von Châteauneuf-les-Martigues nach Istres verkam immer mehr zur Autobahn, zu welcher es aufgrund des engen umliegenden Tals keine Alternative zu geben schien. Ich war froh um meine Kopfhörer mit Lärmunterdrückung, dank denen ich schöne Musik und Podcasts hören konnte. In Istres angekommen war meine Motivation jedoch am Boden, ähnlich wie nach dem Beginn meiner Tour durch die Industrielandschaften südlich von Lyon. Auf dem absolut flachen und geraden, ca. 20 Kilometer langen Streckenabschnitt durch die wüstenartige Gegend zwischen Istres und Mouriès war ich dankbar für den kräftigen Rückenwind, der mir Durchschnittsgeschwindigkeiten von um die 30km/h bescherte.

Die endlose Gerade, die in die Alpilles Provençales führt

In Mouriès angekommen, dem Tür zu den „Alpilles Provençales“, änderte sich die Landschaft komplett. Die Alpilles Provençales sind eine wunderschöne, relativ kleinflächige Gegend, die, wie es der Name schon sage, Ähnlichkeiten mit den Alpen aufweist, zumindest mit dem Jura, da es sich hier ebenfalls um Karst-Landschaft handelt.

Das touristische Highlight der Alpilles Provençales stellen zweifelsohne „Les Baux-de-Provence“ dar, eine Ortschaft inmitten des Naturparks, die ebenfalls zu den schönsten Dörfern Frankreichs gehört. Die historische Burg auf dem Gipfel des Bergs ist umrandet von traumhaft-pittoresken Dörfern, Lavendelfeldern und Olivenhainen, die aus der Ortschaft schon fast ein idyllisch-kitschiges Fotosujet machen. Mein einziger Einwand ist allerdings die starke Kommerzialisierung der Ortschaft, wodurch sich der Dorfkern fast schon wie ein Einkaufszentrum anfühlt, anders als es dem historischen Charakter dieses wunderschönen Dorfs eigentlich würdig wäre (Nougats, Schokolade, Pralinés, Süssigkeiten, Eis, Käse, Schinken, Töpfereien und dergleichen warten allesamt auf dankbare KonsumentInnen).

Nach dem Besuch von Les Baux-de-Provence ging es noch ca. 20 Kilometer mit Rückenwind durch wunderschöne kleine Dörfer auf beinahe menschenleeren Landstrassen zurück bis nach Avignon, wo ich zufrieden einschlief und mich freute, die Tour von Lyon bis ans Mittelmeer somit erfolgreich beendet zu haben.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert